Wiesel-Kommission ist der gebräuchliche Name für die Internationale Kommission zur Erforschung des Holocaust in Rumänien.

Die Wurzeln des rumänischen Antisemitismus

Die jüdische Gemeinde in Großrumänien war mitgliederstark und vielfältig. Aus dem Zeitraum vor dem Ersten Weltkrieg stammte ihre enge geschichtliche Verwurzelung mit dem rumänischen Altreich, der k.u.k. Doppelmonarchie Österreich-Ungarn und dem russischen Zarenreich. Gemäß der Volkszählung von 1930, lebten zu dieser Zeit in Großrumänien 756.930 Juden, was 4,2 % der Gesamtbevölkerung entsprach, eine Zahl, die in dem darauf folgenden Jahrzehnt zweifellos weiter angestiegen ist. Die Juden bildeten 13,6 % der städtischen Bevölkerung von insgesamt 3.632.000, jedoch nur 1,6 % der Landbevölkerung von ca. 14.421.000 Einwohnern. Mehr als zwei Drittel der Juden in Rumänien lebten in den Städten und unter einem Drittel im ländlichen Umfeld. Obwohl die jüdische Bevölkerung in dem neuen Staat zahlreiche Gemeinsamkeiten aufwies, entstammte sie dennoch verschiedenen Kulturkreisen, unterschiedlich durch die politische Geschichte der jeweiligen Länder, in denen sie vormals lebten, durch den Assimilierungsgrad an die rumänische Sprache und Kultur, und nicht zuletzt, dadurch, inwieweit sie sich als zugehörig zu der jüdischen Tradition und Religion zu erkennen gaben.

Die Wurzeln des rumänischen Antisemitismus sind eng verflochten mit den Ursprüngen des modernen rumänischen Staates. Mit dem Antisemitismus, der in Rumänien zwischen den zwei Weltkriegen sichtbar geworden ist, ist unmittelbar die Saat aufgegangen, die an den entscheidenden Wendepunkten in der Entwicklung des Landes seit der Mitte des 19. Jahrhunderts gesät worden ist. Über weite Strecken des 19. Jahrhunderts hat es bereits starke antisemitische Strömungen gegeben, die - in unterschiedlicher Stärke und Ausprägung - das politische, kulturelle und geistige Leben der rumänischen Gesellschaft beeinflusst haben. Der Aufstieg der National-Christlichen Partei in 1937, das Aufkommen der Königsdiktatur in 1938 und die Bildung des Nationalen Legionärsstaates unter der Führung von Ion Antonescu und der Eisernen Garde in 1940 gipfelten im Holocaust des 20. Jahrhunderts.

Die antisemitische Politik der Regierung Goga, der Königsdiktatur und des Nationalen Legionärsstaates war wegbereitend für die erheblich schwereren Ausschreitungen, die sich später, während des Krieges, unter dem Regime von Antonescu ereignen sollten. Ion Antonescu hatte die Absicht, die Juden aus Rumänien zu entfernen, sei es durch Rumänisierung (Enteignung und Entzug der Existenzgrundlage), durch Deportationen oder - letztlich - durch deren Ermordung. Dieser Wechsel zu einer antisemitischen Politik wurde von den politischen, kulturellen und religiösen Eliten des Landes weitgehend unterstützt, zumindest jedoch akzeptiert. Selbst die Verschärfung dieser Politik fügte sich nahtlos in die Gedankenmuster ein, die einen integralen Bestandteil der politischen, intellektuellen und geistigen Auseinandersetzungen bildeten, die den Zeitraum kennzeichneten, der zwischen dem Kampf um die Schaffung eines unabhängigen rumänischen Staates im 19. Jahrhundert und der Gründung Großrumäniens lag. Dieses wollten Antonescu und seine Gefolgsleute wiederaufleben lassen.

Der juristische Status der Juden in dem neuen rumänischen Staat war seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, über ein Jahrhundert lang, umstritten, und hat immer wieder zu gewaltigen antisemitischen Ausbrüchen geführt. Die Anführer der Revolutionen von 1848 in den Fürstentümern Walachei und der Moldau hatten Emanzipation und Gleichberechtigung für die Juden gefordert. Nach der Niederschlagung der Revolutionen, ist jedoch der Status der Fürstentümer erneut zum Verhandlungsgegenstand der europäischen Mächte geworden. Damit wurde auch die Verbesserung der Lage der Juden zu einem international beachteten Problem.

Artikel 46
der Pariser Konvention von 1858 (19. August 1858), welcher die Bedingungen für die Vereinigung der Fürstentümer Walachei und Moldau enthielt, wies im weiteren Verlauf den Weg zur Gewährung voller Bürgerrechte für die Juden. Als aber die europäischen Mächte in den Artikeln 43 und 44 des Berliner Vertrages von 1878 die Anerkennung der Unabhängigkeit Rumäniens von der Gewährung bürgerlicher und politischer Rechte für die jüdische Bevölkerung abhängig machten, regte sich lautstarker Protest der kulturellen und politischen Eliten des neuen Staates. Dieser äußere Druck hat eine starke Gegenbewegung in ihren Reihen ausgelöst, zu einem Zeitpunkt, als sie sich für die Unabhängigkeit und Souveränität Rumäniens stark machten. Gleichzeitig wurden Zweifel an der Loyalität der Juden geschürt, verschärft und bis in das folgende Jahrhundert hinein fortgeschrieben. Die Juden strebten hingegen Bürgerrechte und die rechtliche Gleichstellung an. Antisemitische Äußerungen waren nicht nur bei der politischen Elite in Rumänien an der Tagesordnung, sondern auch innerhalb der kulturellen und intellektuellen Kreise des Landes weit verbreitet.

So bestand also bereits in den ersten Jahrzehnten der Entwicklung des modernen Rumänien
im politischen und intellektuellen Leben des Landes eine starke antisemitische Strömung , die nicht etwa nur gesellschaftliche Randbereiche einbezog, sondern vielmehr aus der Mitte der Gesellschaft hervorging. Mehr noch, die Sprache, die verwendet wurde, wenn es um Juden ging, war schon von Anbeginn an radikal. Es war die menschenverachtende Sprache, die auf Ausgrenzung und Vernichtung abzielte. Genau genommen, wurde dieses radikale antisemitische Vokabular auch in den folgenden Jahrzehnten gebraucht, bis zu der Zeit des Holocaust, und selbst darüber hinaus.

Die politischen und intellektuellen Kreise Rumäniens steckten tief im Sumpf antijüdischer Gefühlsregungen und gaben sich einer jahrzehntelangen, ununterbrochenen antisemitischen Rhetorik hin. Es verwundert daher nicht, dass die zwei wichtigen Parteien in Großrumänien (Rumänien nach dem Ersten Weltkrieg), die Nationale Liberale Partei und die Nationale Bauernpartei, der Lage der jüdischen Minderheit im Lande bestenfalls gleichgültig gegenüberstanden. Obwohl keines der Parteiprogramme eine offene antisemitische Position vertrat, hat keine der beiden Parteien etwas unternommen, um Gleichberechtigung, Gleichstellung und Sicherheit für Juden zu gewährleisten. Vielmehr hat die - erzwungene - massive Gewährung der rumänischen Staatsbürgerschaft für Juden, viele der Parteiführer in beiden Parteien empört und dieser unverhohlene Zorn kam häufig in den parlamentarischen Debatten sowie der Presse zum Ausdruck. Einige der Parteiführer der Nationalen Liberalen Partei und der Nationalen Bauernpartei waren fest entschlossen, jede sich bietende Gelegenheit zu einer antisemitischen Politik zu nutzen, vor allem, im Wirtschaftssektor und im Erziehungswesen. Während sich die Jüdische Gemeinde in Rumänien in der Defensive befand und nur noch darum kämpfte, die kürzlich erzielten Rechte nicht zu verlieren, wurde das Bedürfnis der Juden nach einem wirkungsvollen Schutz ignoriert, solange diese beiden Parteien die Macht in Rumänien ausübten. Wenn aber die Juden in Rumänien sich Hilfe suchend an jüdische Gemeinden und Organisationen im Ausland oder aber direkt an ausländische Regierungen wandten, dann erreichten sie damit nur, die Position derjenigen zu stärken, die sie als Vaterlandsverräter denunzierten.

Nach der Nationalen Agrar-Partei von Goga, Anfang der 30er Jahre, war es hauptsächlich die National-Christliche Partei (PNC), die ab 1935 die Unterstützung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei erhielt, ungeachtet der größeren ideologischen Nähe zwischen der Eisernen Garde und den Nationalsozialisten. Trotz der kurzen Machtperiode der PNC, hat ihre antisemitische Politik einen starken Einfluss auf die nachfolgenden Regierungen gehabt. Ein bedeutender Teil der Parteigänger der PNC wirkte in den Regierungen während der Königsdiktatur mit und trat dann in der bürgerlichen Administration unter Ion Antonescu während des Zweiten Weltkrieges erneut in Erscheinung. Das Parteiprogramm der PNC nahm die antisemitischen Positionen auf, die bereits in den Programmen der Parteien von Goga und Cuza, vor ihrer Fusionierung zur PNC, enthalten waren. Diese Parteiprogramme waren monarchistisch, sahen aber Änderungen an der Verfassung von 1923 vor, die zum Ziel hatten, die Vorherrschaft der ethnischen Rumänen in allen gesellschaftlichen Bereichen zu sichern; der "nationale Charakter" der Presse und aller kulturellen Aktivitäten sollte gewährleistet werden. Demzufolge sollte den Juden ein Numerus clausus auferlegt werden. Die PNC und ihre Vorgängerparteien waren bestrebt, die Juden aus Rumänien auszuweisen, unter dem Vorwand, dass sich diese bzw. deren Vorfahren "illegal eingeschlichen" hätten, oder aber, erst "nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens" in das Land eingereist seien, während die im Land Verbleibenden aus allen Ämtern und der öffentlichen Verwaltung ausgeschlossen werden sollten.

Auf der Grundlage von Regierungsverordnungen, ohne parlamentarische Zustimmung, richteten sich die ersten Verwaltungsakte der PNC gegen die jüdische Minderheit. Bezeichnenderweise hat die Regierung, in Übereinstimmung mit dem Parteiprogramm der PNC von 1935, am 22. Januar 1938 die Regierungsverordnung Nr. 169 erlassen, mit dem Ziel, den staatsbürgerlichen Status der Juden zu revidieren. De facto bedeutete diese Gesetzesverordnung nichts anderes, als die Annullierung der den Juden nach dem Ersten Weltkrieg gewährten Staatsbürgerschaft. Sie sah vor, dass alle Juden binnen 40 Tagen nach der Veröffentlichung von Bürgerlisten, geeignete Unterlagen und Nachweise zur "Prüfung" ihrer Staatsbürgerschaft vorlegen sollten. Diejenigen Juden, die sich diesem Verfahren nicht fügten, oder deren Nachweisdokumente angeblich unvollständig waren, wurden demnach zu "Ausländern" erklärt. Neben dem Verlust ihrer politischen Rechte, bedeutete dies für viele Juden den Wegfall der Arbeitsgenehmigung und die jederzeit drohende Ausweisung, je nach Belieben der Regierung.

C. Z. Codreanu hat die Legion Erzengel Michael 1927 und deren militanten Ableger, di
e Eiserne Garde, 1930 gegründet. Der Antisemitismus war ein zentrales Element der ideologischen Ausrichtung der Eisernen Garde. Von der Legion wurden alle gängigen Vorurteile gegen die Juden bedient: Erschleichung der Staatsbürgerschaft, jüdische Überfremdung rumänischer Städte und rumänischer Kultur, Ausbeutung der Bauern durch Alkohol, Tabak und andere Einflussmittel, Kontrolle der Presse, Aktivitäten im Dienst der rumänischen Feinde und Vertretung ausländischer Interessen. Hingegen enthielt der Antisemitismus der Eisernen Garde auch neue Elemente. Er richtete sich nicht nur gegen die Juden, sondern auch gegen die "verjudeten" rumänischen Politiker, welche, bestochen durch die Juden, es diesen gestatteten, Rumänien zu "übernehmen". Die Garde bekannte sich zur Diktatur als Organisationsprinzip und zur Gewalt als Abwehrmaßnahme gegen die Bedrohung durch den "Judenstaat", der sich rund um Talmud und Kehillah (Jüdische Gemeinde) bildet und - neuerdings - als Bolschewismus und Kommunismus auftritt. Sie glorifizierte auch den spirituellen Kampf und die Moral, denen die mystischen Bilder der Rumänisch-Orthodoxen Kirche zu Grunde lagen.

Schon seit 1923 haben die Legionäre begonnen, "Verräter" zu entlarven, um diese zu liquidieren. In den darauf folgenden 18 Jahren war die Legion für zahlreiche gewalttätige Übergriffe, hauptsächlich zu Lasten der Juden, verantwortlich, weiterhin für die Ermordung von zwei Premierministern (Ion Duca in 1933 und Armand Călinescu in 1939), die Ermordung von mehreren Ministern und anderen Persönlichkeiten von lokaler und nationaler Bedeutung aus Politik und Kultur. Die Gewalttätigkeit der Eisernen Garde erreichte ihren Höhepunkt am 26.-27. November 1940, als in
dem Gefängnis von Jilava 64 führende Persönlichkeiten und Verteidiger der politischen Ordnung in der Zwischenkriegszeit (einschließlich eines ehemaligen Premierministers) ermordet wurden. Daneben wurden auch sechs Polizeipräfekten getötet und Nicolae Iorga, ein weiterer ehemaliger Premierminister sowie Virgil Madgearu, ein ehemaliger Minister der Nationalen Bauernpartei, wurden brutal ermordet. Gleichzeitig fand das Pogrom von Bukarest statt, dem 121 Juden zum Opfer fielen.

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